Der Schweif des Diabolus |
In einer totalitären Zukunft ist die bevorzugte Form der Bestrafung von Verbrechern die Rückerinnerung, auch Mnemoration genannt. Dabei wird der Verurteilte an ein Gerät angeschlossen, mit dessen Hilfe ein Mnemorator (so werden die Vollstrecker genannt) bis in die letzten Winkel der Gedankenwelt seines Gegenüber vordringen kann. Jede noch so kleine Erinnerung wird bei dem schmerzhaften Prozess unbarmherzig ans Tageslicht gezerrt, Privatsphäre gibt es für die Betroffenen nicht mehr. Danach kommen die Verurteilten lebenslang ins Gefängnis. Die so entstehenden Aufzeichnungen werden dann der Öffentlichkeit zu Studienzwecken zur Verfügung gestellt. André Beyer war einer dieser Mnemoratoren. Nun steht ihm diese Strafe selber wegen Mordes bevor, weil er einen Controller umgebracht hat. Als Controller werden die Menschen bezeichnet, die unangekündigt in jede Wohnung kommen können, um die dortigen Bewohner zu kontrollieren und etwaige Verstöße gegen das Gesetz zu melden. André weiß genau, was auf ihn zukommt und er hat ein Problem: Der ihm zugeteilte Mnemorator, Dr. Meridian, ist einer der besten seiner Zunft. Dieser darf auf keinen Fall herausfinden, warum André den Controller umgebracht hat. Ein dramatisches Duell beginnt…
Der Schweif des Diabolus von Helga P. Schubert
„Der Schweif des Diabolus“ von Helga Schubert erschien im Jahr 2010 und ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Ohrland und Studenten der Kölner „Deutsche POP Akademie“. Bei diesem Hörspiel wird eine Dystopie entworfen, die jener in Orwells „1984“ nicht unähnlich ist. Der Menschheit wurden von der Regierung der Vereinigten Erdstaaten schleichend alle Grundrechte genommen. So wurden zum Beispiel jene Programme, die eigentlich zur „Volksgesundheit“ (Brrrrr) beitragen sollten, mit der Zeit zu einem Programm, das nicht nur Behinderungen und Krankheiten wie Alzheimer und Schizophrenie ausmerzte, sondern auch die Menschen, die an diesen Krankheiten leiden. Andersdenkende werden meist schon sehr früh erkannt und unschädlich gemacht, obwohl es so etwas wie eine Widerstandsbewegung entweder zu geben scheint, oder zumindest gerade im Entstehen ist. Die hier entworfene Welt ist bis ins letzte Detail stimmig.
Ein Zwei-Personen-Stück
Vor diesem Hintergrund spielt sich der Kampf von zwei Personen ab, die beide eine ganze Menge Tricks auf Lager haben. Ihr Schlagabtausch ist nicht nur gut geschrieben, sondern von Florian Böder als André Beyer und Fritz Stavenhagen als Dr. Meridian ausgezeichnet gespielt. Auch wenn man den Beyers Motiv für den Mord bereits vor der Enthüllung ahnt, ist „Der Schweif des Diabolus“ eine sehr spannende Geschichte, weil auch der Mnemorator etwas zu verbergen hat, das für den Ausgang der Handlung mindestens genauso wichtig ist, wie Beyers Bestreben, die wahren Gründe für den Mord zu verbergen.
Das Unvorstellbare begreifbar machen
Interessant ist auch, dass „Der Schweif des Diabolus“ immer wieder mit dem Unvorstellbaren operiert, um den Zuhörern etwas verständlich zu machen. Ein Beispiel: Um Meridian ablenken zu können, lässt André sich gedanklich in absolute Schwärze fallen, um so an nichts denken zu müssen, was der Mnemorator aufzeichnen könnte. Dieser kann aber nicht nur Gedanken aufzeichnen, sondern auch aktiv in die Gedanken des Protagonisten eingreifen (was für André äußerst schmerzhaft ist). Meridian macht das auch und löscht die Vorstellung, wie diese Farbe aussieht, aus seinem Gedächtnis. André beschreibt das sinngemäß so, dass ihm nun die Idee vom Konzept dieser Farbe völlig fehlen würde (ich hoffe, das klingt halbwegs verständlich). Ich kann mir, selbst wenn ich mir viel Mühe gebe, nicht vorstellen, wie das ist, wenn einem etwas so alltägliches plötzlich völlig fehlt. Ich fände es aber furchtbar, wenn man mir so etwas einfach wegnehmen würde und ich nicht das Geringste dagegen tun könnte. Von dem Gefühl der völligen Hilflosigkeit, wenn ich jemandem gegenüber sitzen würde, der diese Foltermethode rücksichtslos gegen mich einsetzt, ohne dass ich mich dagegen wehren könnte, ganz zu schweigen. Diese Verzweiflung bringt Florian Böder sehr gut rüber. (Übrigens: Wer mir sagen kann, warum der Name Meridian vielsagend ist, darf sich 10 Gummipunkte auf sein Konto für unnützes Wissen gutschreiben lassen.)
Kleine Abzüge in der B-Note
Ganz perfekt ist „Der Schweif des Diabolus“ dennoch nicht. Vor allem bei den Nebenrollen merkt man stark, dass ihre Sprecherkarrieren bestenfalls erst am Anfang stehen. Außerdem hätte man das Gespräch zwischen André und seiner Anwältin ein wenig kürzen können. Diese Punkte fallen angesichts des positiven Gesamtpaketes aber kaum ins Gewicht.
Der Schweif des Diabolus – Fazit
„Der Schweif des Diabolus“ schafft es, die Zuhörer mit einfachsten Mitteln in seinen Bann zu ziehen, sodass man bis zum Schluss mitfiebert.
Sehr gerne!
Hallo Herr Seelhofer, vielen Dank für diese ausführliche Besprechung unseres Hörspiels "Der Schweif des Diabolus". Grüße nach Wien! Frank-Michael Rost (Ohrland Verlag)