Maniac von Regisseur Franck Khalfoun und Alexandre Aja (USA 2012) |
In Los Angeles ist ein Serienmörder (Elijah Wood) mit einem bestimmten Fetisch unterwegs: Er skalpiert alle seine Opfer. Frank ist der Besitzer eines Geschäftes, das sich auf die Restauration von Schaufensterpuppen spezialisiert hat. Die Skalps seiner Opfer setzt Frank in seiner Wohnung ausgewählten Puppen auf, die für ihn lebende Charaktere sind. Sein Leben ändert sich, als er die junge Künstlerin Anna trifft und diese ihn bittet, ihr einige Schaufensterpuppen für eine Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Während sich die Freundschaft der beiden entwickelt, dringen Franks Obsessionen immer mehr an die Oberfläche…
Ein Film, der (fast) nur durch die Augen des Protagonisten zeigt, was gerade passiert und das ohne Hilfsmittel, wie sie das „Found Footage“-Genre immer wieder einsetzt – so etwas stand schon länger auf meiner Wunschliste. Als ich hörte, dass Alexandre Aja und Franck Khalfoun genau das mit ihrem Remake von William Lustigs „Maniac“ vorhaben, war mir klar, dass ich den Film sehen muss (auch wenn Aja in meinen Augen nach „High Tension“ nichts Ordentliches mehr abgeliefert hat).
„Maniac“ mag zwar ein Remake von Lustigs Kultfilm sein, hat aber viel mehr mit „Peeping Tom“ und „Henry – Portrait of a Serial Killer“ gemeinsam. In allen drei Filmen ist die Distanzlosigkeit zu den Taten des Mörders ein prägendes Stilmittel. Während in „Peeping Tom“ die Kamera, die uns die Morde zeigt, gleichzeitig die Tatwaffe ist und bei „Henry“ die Bluttaten von den Mördern gefilmt werden, wird auf eine solchermaßen „dazwischengeschaltete“ Kamera verzichtet und macht die Zuschauer zu Mittätern und Komplizen, indem man sie am Geschehen zu 99 Prozent ausschließlich durch Franks Augen teilhaben lässt (das Making of zeigt die dafür nötige Vorrichtung, mit der Elijah Wood, der tatsächlich immer am Set war, diese Szenen gemeinsam mit Kameramann Maxime Alexandre drehen konnte).
Rausch der Bilder
Der Film zeigt nicht nur Franks Morde und sein alltägliches Leben. So richtig abgehoben wird es, wenn die Zuschauer das zu sehen bekommen, was sich vor Franks geistigem Auge abspielt: Halluzinationen, Mordfantasien, das volle Programm. Diese Szenen beginnen oft so unauffällig, dass man erst nach ein paar Minuten bemerkt, was gerade passiert. Dann heben die Bilder aber so richtig ab, wenn Franks Schaufensterpuppen lebendig werden und er, von seinen Kopfschmerzen halb irre gemacht, durch die Gegend rennt.
Manchmal durchbrechen Aja und Khalfoun die „Ich-Perspektive“ und zeigen den Mörder bei seinen Taten und nein, damit meine ich nicht, dass er dabei in einen Spiegel schaut. Das kommt zwar auch oft genug vor, Aja bricht die Perspektive aber immer wieder gezielt. Dennoch bleibt der Film in diesen Einstellungen so nahe bei Frank, dass zwischen ihm und den Zuschauern kein Blatt Löschpapier mehr Platz hätte.
Bei all den positiven Punkten gibt es erfreulicherweise nur eine Unstimmigkeit, die erst beim zweiten Ansehen auffällt. Das erste Opfer lernt Frank in einem Single-Chatroom kennen. Im Verlauf des Chats lädt er ein Foto von sich hoch, weil sein Opfer sonst nicht in ein Treffen eingewilligt hätte. Das Bild ist wirklich von ihm und nicht etwa von einer anderen männlichen Person. Diesbezüglich hätte ich eine Frage: Hat sich nach dem eventuellen Auffinden der Leiche (das wir nicht sehen), bzw. dem Bekanntwerden der Tatsache, dass die Frau vermisst wird, niemand den Computer des Opfers angesehen? Der müsste doch noch in ihrer Wohnung stehen und anhand des Chatverlaufs könnte man doch sicher an das Foto kommen, oder? (Ich muss gestehen, dass ich von solchen Dingen nicht viel Ahnung habe.) Ein paar Stunden später wäre das Bild dann in sämtlichen Nachrichten zu sehen und Frank könnte sich nicht mehr lange verstecken. Genau das passiert aber nicht (und dass die Polizei Frank sucht, wird alleine durch die letzte Szene klar).
Selbst wenn er nicht oft zu sehen ist: Elijah Wood dominiert jede Szene des Filmes. Im Gegensatz zu seiner ersten Serienmörder-Rolle, dem eiskalt kalkulierenden Kannibalen in „Sin City„, spielt in „Maniac“ einen von seinen Wahnvorstellungen gebtriebenen Mann, der gegen sein krankes Verlangen immer wieder ankämpft, ihm aber letztendlich hoffnungslos unterliegt. Während Woods Kevin in Sin City seine Entführungen und Morde generalstabsmäßig plant und durchführt, geht Frank selten organisiert vor und begeht seine Taten stets spontan. Wenn man diese beiden Rollen vergleicht, merkt man, wie vielseitig Wood als Schauspieler wirklich ist.
Fazit zu Alexandre Ajas Maniac
Eigentlich ist Ajas „Maniac“ der Gottseibeiuns der hiesigen Jugendschützer und Moralapostel. Während Filme wie der angesprochene „Sin City“ die rohe Brutalität mit ihrem Humor brechen, macht „Maniac“ den Zuschauer nicht nur zum Zeugen, sondern zum Mittäter. Dabei entwickelt der Film eine Sogkraft, der man sich kaum entziehen kann. Deshalb gibt es von mir eine Empfehlung für alle Menschen mit starken Nerven.