Die 17-jährige Zoe Hull und ihr Vater haben sich seit dem Tod ihrer Mutter von der Außenwelt ziemlich zurückgezogen. Zoe hat in der Schule nur wenige Freunde und kann mit den Streichen von SchülerInnen, die kurz vor den Ferien und dem Aschlussball im ganzen Gebäude gespielt werden, absolut nichts anfangen. Die fröhliche Stimmung schlägt schnell in ihr Gegenteil um, als eine Gruppe von Jugendlichen mit einem Van in die Cafeteria kracht, alle dort Anwesenden als Geiseln nimmt und jeden erschießt, der entkommen will. Zoe, die in der Minute zufällig in einem anderen Raum war, kann sich vor den Amokläufern verstecken. Gott sei Dank ist ihr Vater ein ehemaliger Soldat. Er hat Zoe alles Nötige beigebracht, um sich gegen die mörderischen Irren zur Wehr zu setzen…
Es wird mal wieder Zeit, hier regelmäßig Rezensionen zu schreiben und da ich mich sehr gerne mit Filmen befasse, die ihre politische Propaganda mehr oder weniger schlecht getarnt in Unterhaltungsform unter die Menschen bringen möchten, wie zum Beispiel bei „Ja, ich glaube“. Dass ich diesen Film als Beispiel gewählt habe, ist kein Zufall: Beide wollen ihre Agenda vor dem Hintergrund eines Schulmassakers verbreiten. „Run Hide Fight“vor einem fiktiven, „Ja, ich glaube“ vor einem – was ich noch eine Ecke geschmackloser finde – vor einem, das real stattgefunden hat.
Hinter „Run Hide Fight“ steckt aber keine christliche Produktionsfirma wie zum Beispiel „PureFlix“, auch wenn diese – was die vertretenen Werte betrifft – von Vertrieb „The Daily Wire“ gar nicht so weit weg ist. Das bekannteste Gesicht von „The Daily Wire“ ist der konservative Politik-Kommentator Ben Shapiro. Das konservative Medienunternehmen feierte mit „Run Hide Fight“ seinen Einstieg in die Unterhaltungsbranche. In diesem Video erklärt Shapiro deutlich, worum es „The Daily Wire“ geht:
Vom „Kulturkampf“ bis zum „linken Hollywood“ sind da so ziemlich alle rechtskonservativen bis -populistischen Schlüsselbegriffe dabei, die in so einem Zusammenhang immer wieder fallen. Damit ist dann auch die Stoßrichtung von „Run Hide Fight“ klar.
Eines muss man Regisseur Kyle Rankin lassen: Er versteht es wesentlich besser als PureFlix, ihre Agenda in einen Film zu verpacken. Wenn man ohne Vorwissen an den Film rangeht, kann man ihn zumindest am Beginn als reinen Actionfilm sehen. Die Botschaften werden dann erst nach und nach eingewoben, wenn die Behörden absolut unfähig sind, einzugreifen, und nur ein „good guy with a gun“ – in diesem Fall der von Thomas Jane („Punisher“) gespielte Vater der Protagonistin – irgendeine Hilfestellung geben kann. Besonders übel nehme ich dem Film jene Szene, in der Zoe einen der Amokläufer in ihrer Gewalt hat und sie ihn nach seinen Gründen fragt. Dass sich Shapiro gerade „Run Hide Fight“ für seinen Einstieg in die Unterhaltungsbranche aussucht und „The Daily Wire“ als als Vertrieb agiert, ist aus deren Sicht logisch, vertritt er doch selbst nahezu identische Standpunkte. Als der dann unter Tränen erzählt, dass er schlimm gemobbt wurde, schneidet Zoe ihm sofort das Wort ab und erklärt ihm, dass das keine solche Tat rechtfertigen würde. Das stimmt natürlich, trotzdem ist der ganze Dialog ein äußerst plumper Versuch, hier stellvertetend all jenen einen reinzuwürgen, die bei Amokläufen an Schulen noch andere Lösungsansätze außer „Mehr Waffen für alle!“ verfolgen möchten. Da passt es auch ganz gut dazu, dass Zoe den Anführer der Geiselnehmer erschießt, als dieser am Ende des Films unbewaffnet und wehrlos vor ihr steht. Ja, mir ist klar, dass sie Rache will. Es ist trotzdem Mord.
Gute Besetzung & Inszenierung
„Run Hide Fight“ (der Name bezieht sich übrigens auf eine in den USA bei Survival-Trainings gelehrte Verhaltensrichtlinie bei Terroranschlägen oder Amokläufen) ist bei einigen Dingen sehr gut:
1. Die Inszenierung. Vor allem der Teil bis zur Geiselnahme in der Cafeteria ist sehr spannend gemacht, wenn man beobachtet, wie die Geiselnahme vorbereitet wird, wie die GeiselnehmerInnen die Vorgehensweise der Behörden zu ihrem Vorteil nutzen und einige der Kämpfe von Zoe gegen die GeiselnehmerInnen sind verdammt gut gemacht. Das losbrechende Chaos bei der Schießerei und der anschließende Beginn der Geiselnahme ebenso.
2. Die Besetzung. Ich muss zugeben, dass ich von Isabel May zum ersten Mal durch diesen Film gehört habe („Young Sheldon“ schaue ich nicht und von den anderen Serien und Filmen mit ihr habe ich noch nie etwas gehört). Nach „Run Hide Fight“ hätte ich nichts dagegen, wenn sich daran etwas ändert. May wirkt sehr natürlich, man kauft ihr die Emotionen und Schmerzen ohne Weiteres ab. Thomas Jane spielt ihren wie ein Einsiedler lebenden Vater genauso gut, das gilt auch für Treat Williams in seiner Rolle als überforderter Sheriff. Eli Brown ist ebenfalls recht unterhaltsam, wenn er als Kopf der Geiselnehmer in seinen besten Momenten so tut, als wäre er eine Teenager-Version von Heath Ledgers Joker. Und genau das ist höchst problematisch, denn damit werden solche Attentäter glorifiziert.
Wenn man diese Punkte berücksichtigt, könnte man fast meinen, dass die Macher hinter dem Film sich die frühen Filme von PureFlix und anderen, ähnlichen Firmen angesehen, aus den dort gemachten Fehlern ihre Lehren gezogen haben (dort wurden die gewünschten Botschaften ja oft genug mit dem Holzhammer vermittelt, das ist hier nicht der Fall) und gleich auf einem höheren Niveau beginnen.
Eine Sache macht der Film allerdings gar nicht gut und zwar mit voller Absicht: Er zeigt nicht einmal ansatzweise, wie ein solcher Amoklauf abläuft. Eine kompliziert geplante Geiselnahme mit mehreren Amokläufern ist doch eher unwahrscheinlich. Untersuchngen zeigen, dass die meisten Amokläufer alleine handeln und der Amoklauf selbst meist nur wenige Minuten dauert. Das ist das ganze Gegenteil von dem, was in diesem Film gezeigt wird. Einen interessanten Artikel dazu gibt es hier.
Fazit zu Run Hide Fight
Ich kann gut verstehen, dass es viele Menschen gibt, denen dieser Film gefällt. Er ist gut inszeniert. KritkerInnen haben sich vor allem auf die fragwürdige Botschaft gestürzt und dabei vergessen, dass die meisten nur darauf schauen, ob ein Film sie unterhält oder nicht (was in meinen Augen das sehr gespaltene Rating auf Rotten Tomatoes erklärt). Trotzdem wird hier eine höchst fragwürdige Propaganda betrieben. damit kann ich überhaupt nichts anfangen. Interessant ist auch, wie sich bei solchen Produktionsfirmen immer wieder Querverbindungen zwischen Gleichgesinnten ergeben. Gina Carano hat sich ja mit ihren Aussagen zu Corona, Masken, angeblichem Wahlbetrug in den USA, Transgender, und noch einigen anderen Themen, so lange selbst demontiert, bis sie bei „The Mandalorian“ rausgeworfen wurde (siehe hier). Jetzt ratet mal, wer die Hauptrolle im neuen Western von Daily Wire spielt. Ja, genau:
Update: Hier gibt es noch einen sehr aufschlussreichen Artikel zu den Dreharbeiten von Run Hide Fight. Die haben tatsächlich einen Typen, der der sexuellen Belästigung beschuldigt wird, zum Boss über eine Filmproduktion mit einem Haufen Minderjähriger gemacht. Zum Kotzen.