Zuhause ist überall |
In meist eher kurzen Sätzen erzählt Barbara Coudenhove-Kalergi, die große alte Dame des österreichischen Journalismus, in ihren Erinnerungen von ihrer frühen Kindheit in Prag, der Flucht ihrer Familie am 8. Mai 1945 nach Österreich und ihrem Wiedersehen mit dem Land ihrer Kindheit nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft.
Keine Autobiographie „aus therapeutischen Gründen“
Im Gegensatz zu vielen anderen, die ihre Autobiographie schreiben würden, um ihr Leben besser in den Griff zu bekommen, sei bei ihr der Impuls von außen gekommen, betont Coudenhove-Kalergi. Der Verlag unterbreitete ihr ein Angebot, das sie gerne annahm: „Schreib das und wir drucken das.“ Dabei habe sie sich dann auch an dessen Vorgaben gehalten. Wenn es zum Beispiel von Verlagsseite hieß, sie solle mehr über ihre Ehe schreiben, habe sie das auch gemacht.
Kündigung des Kindermädchens schlimmer als die Vertreibung 1945
Bemerkenswert war für Coudenhove-Kalergi, dass man als Kind völlig andere Prioritäten setze und sie sich an manche Dinge in ihrer Kindheit noch immer Wort für Wort erinnern könne. So sei der Moment, in dem sie als kleines Mädchen erfuhr, dass ihr Kindermädchen gekündigt habe, für sie schlimmer gewesen als die Vertreibung ihrer Familie aus Prag nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Stärken ihrer journalistischen Arbeit sind auch in Coudenhove-Kalergis aufgeschriebenen Erinnerungen überall spür- und lesbar. Klare Worte in leicht verständlicher Sprache überfordern den Leser zu keinem Zeitpunkt und vermitteln dennoch so starke Bilder, dass man meinen könnte, das Erzählte gerade selbst mitzuerleben. Mit ihrem bemerkenswert uneitlen Schreibstil führt Coudenhove-Kalergi interessierte Leser nicht nur durch ihre Kindheit und Jugend, sondern auch durch die Ereignisse, welche das Weltgeschehen in dieser Zeit prägten: Bruno Kreisky, welcher der Grund dafür war, dass sie SPÖ-Mitglied wurde und der Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen in den 70ern werden genauso thematisiert, wie die Proteste in der Hainburger Au, die sie dazu brachten, ihre SPÖ-Mitgliedschaft gleich wieder zurück zu geben. Historische Ereignisse und persönliche Eindrücke werden zu einem untrennbaren Gesamtbild verwoben. Das Buch „Zuhause ist überall“ ist damit nicht nur das Selbstporträt einer an Lebenserfahrung reichen Frau, sondern auch ein Werk, das für historisch wissbegierige Menschen durchaus lesenswert ist.