Die Milliardäre von Notre Dame

Nach dem Brand in Notre Dame und der darauf folgenden Spendenflut gab es zunehmend Kritik an jenen Milliardären, die sehr schnell ihre Geldbörse geöffnet haben, um mit vielen Millionen Euro den Wiederaufbau zu sichern. Die Kritik ist berechtigt. Das Ziel ist aber das Falsche.


Nach dem Brand in Notre Dame und der darauf folgenden Spendenflut gab es zunehmend Kritik an jenen Milliardären, die sehr schnell ihre Geldbörse geöffnet haben, um mit vielen Millionen Euro den Wiederaufbau zu sichern. Die Kritik ist berechtigt. Das Ziel ist aber das Falsche.

 

Immer wieder hört man in letzter Zeit die Frage, wieso die Superreichen, die jetzt ihr Geld spenden, nicht dieselben Summen für den Wiederaufbau für Mosambik, die Flüchtlingshilfe im Mittelmeer, oder ganz generell spendet, um damit Menschen zu helfen und nicht ein altes Gemäuer wieder herzustellen. Die Frage kann man durchaus stellen. Schließlich ging das mit den Spenden sehr schnell und es gibt viele humanitäre Katastrophen auf der Welt. Die Kritik geht trotzdem an die falsche Adresse. Sie sollte sich vielmehr an uns selbst richten.

So lange es Milliardäre gibt, brauchen wir uns nicht wundern, wenn die mit ihrem Geld machen, was sie wollen. Ist ja auch ihr gutes Recht, wenn sie die Möglichkeiten dazu haben. Und die geben wir ihnen immer wieder gerne. Wir zucken mit den Schultern, wenn wir lesen, dass Amazon mal wieder genau 0 Cent an Steuern gezahlt hat. Die Panama Papers sind uns ebenfalls scheißegal. Dafür wählen wir immer wieder PolitikerInnen, die uns zwar erzählen, sie würden auf unserer Seie stehen, in Wahrheit aber Politik für die Reichen und die Konzerne machen und die Armut im Land vergrößern. Die Entwicklungshilfe ist bei unserem Wahlverhalten ebenfalls kein wichtiger Punkt. Dabei würde sie doch genau den Punkt treffen, den nun alle kritisieren. Dennoch ist sie zum Beispiel in Österreich auf einem historischen Tiefpunkt und es schert keine Sau. Nur bei solchen Gelegenheiten ist die Aufregung plötzlich groß. Dann können sich alle einmal kurz auskotzen, ihre eigene Verantwortung weit wegschieben und haben auch gleich einen bei der Bevölkerung unbeliebten Sündenbock bei der Hand. Danach bleibt alles beim Alten und diejenigen, die sich vorhin so großartig echauffiert haben, kommen wahrscheinlich im Traum nicht auf die Idee, sich tatsächlich zu engagieren. Ich hätte einen Vorschlag zur Güte: Bevor wir uns über die Milliardäre aufregen, wählen wir erst einmal jene Politiker ab, welche die Entwickulngshilfe zusammenstreichen. Jagen wir jene aus ihren öffentlichen Ämtern, die es den Großkonzernen ermöglichen, die Gesellschaft um ihre Steuern zu betrügen. Und lassen wir es uns vor allem nicht mehr bieten, dass man uns lieber gegeneinander aufhetzt, statt die wirklichen Probleme anzugehen.

Das soll aber alles nicht heißen, dass es vielen dieser Schwerreichen nicht gut zu Gesicht stehen würde, zumindest hin und wieder bedürftigen Menschen etwas von ihrem Geld zukommen zu lassen. Und sei es nur, um das soziale Gewissen zu beruhigen, oder damit man auf der nächsten Dinnerparty vor der ganzen Schnöselbaggage damit angeben kann, wie humanistisch man nicht ist.

 

Zurück zu Notre Dame. Ich habe, während ich darüber nachgedacht habe, diesen Kommentar zu schreiben, darüber nachgedacht, wieso uns dieses Feuer so viel näher geht, als so manch andere Katastrophe oder so mancher Terroranschlag. Ich glaube, dass das unserem eigenen Horizont geschuldet ist. Notre Dame ist ein fixer Bestandteil unserer Welt, die Kathedrale war einfach immer da. Die Auswirkungen davon, dass Paris auf uns jetzt irgendwie verunstaltet wirkt, trifft uns emotional härter als der Tod von Menschen, die wir nicht kennen. Sicher, wenn ich gefragt werde, welche Katastrophe objektiv betrachtet schlimmer ist, dann werde ich sofort für die gestorbenen Menschen stimmen. Emotional sieht es aber oft anders aus. Ich war in den 90er Jahren zweimal in Paris, einmal habe ich Notre Dame besucht. Die prägendste Erinnerung des Besuches ist für mich der Eindruck, den diese wunderschön gearbeiteten Glasfenster auf mich gemacht haben. Als ich dann von dem Brand gehört habe, war ich felsenfest davon überzeugt, dass diese Fenster, die mir so sehr gefallen, jetzt Geschichte sind. Das hat mich mehr getroffen, als ich anfangs gedacht habe, dass sie rekonstruiert werden können, war da ein schwacher Trost. Es ist halt nicht mehr das Original. Es hat mich aber trotzdem überrascht, was für eine emotionale Bindung man zu einem Gebäude haben kann. Ich denke daher nicht, dass man diese Dinge – Tote im Mittelmeer und Notre Dame – miteinander in Verbindung bringen sollte.


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